Diesen Freitag erschien der tiefgründige Anime «Ergo Proxy» beim Publisher Nipponart erstmals auf Blu-ray. Wir verraten euch, ob sich ein Kauf lohnt.
- Publisher: Nipponart
- Erscheinungstermin: 11.08.2017
- FSK: Ab 16 Jahren freigegeben
- Spieldauer: ca. 600 Minuten
- Genre: Science Fiction, Mystery, Thriller
- Sprachen: Deutsch (DTS-HD 5.1), Japanisch (PCM-Stereo)
- Untertitel: Deutsch
- Anzahl Discs: 4
- Regisseur: Shukō Murase
- Studio: Manglobe
- Produktionsjahr: 2006
Inhalt (9/10)
Nach einer nuklearen Apokalypse leben Menschen und Androiden, die Autoreivs, gemeinsam in der Kuppelstadt Romdeau. Nach außen mag sie wie ein Paradies wirken, doch steht die Stadt unter der totalen Kontrolle der Überwachungsbehörde. Als sich die Agentin Re-l Mayer eines mysteriösen Mordfalls annimmt, erhält sie eine Unheil drohende Nachricht, laut der etwas „erwachen“ wird. Noch in derselben Nacht wird sie von einem Monster angegriffen …
Beurteilung
«Ergo Proxy» ist ein Feuerwerk der Ideen, der Referenzen, der Kreativität. Die Serie ist komplex, sehr komplex sogar. Unzählige Fragen werden aufgeworfen, Rätsel gestellt, die Antworten aber zumeist nur relativ versteckt oder beiläufig gegeben. Um die Hintergründe größtenteils zu durchschauen, die Referenzen zu erkennen, ist ein zweimaliges Ansehen durchaus sinnvoll. Der Zuschauer ist gefordert, stets aufmerksam zu sein und die vielen Hinweise und Puzzlestücke in seinem Kopf selbst zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Auch wenn man lange bei vielen entscheidenden Fragen im Dunkeln tappt und auf eigene Theorien beschränkt ist, werden letztlich alle zentralen Fragen der Story gelüftet. Die Serie hat einen roten Faden, der sich von Anfang bis Ende zieht. Dennoch ist «Ergo Proxy» fragmentarisch, macht immer wieder räumliche und zeitliche Sprünge, trägt den Zuschauer an surreale Orte, deren Bedeutung nur interpretativ erschlossen werden kann. Auch ist die Entwicklung zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar. Der Anime serviert dem Zuschauer keineswegs eine fertige Geschichte, sondern lässt genügend Raum für die eigene Interpretation und Spekulationen und schafft es so, ihn zum Nachdenken anzuregen und zu fesseln. Das Erzähltempo ist nicht konstant, etwa ist es gegen Ende hin sehr hoch, wogegen es im Mittelteil zugunsten interessanter Ideen und Metafragen etwas gediegener ausfällt. Die Geschichte ist durchgehend düster, ernst und melancholisch (von den etwas herausstechenden Episoden 15 und 19 abgesehen). Somit wird man komödiantische Passagen nahezu vergebens suchen und auch romantische Elemente sind nur sehr dezent und sporadisch vertreten. Philosophische Fragen nehmen dagegen eine ganz zentrale Rolle ein, gerade solche nach der Existenz und der Identität. Sätze wie «Ich denke, also bin ich» und dergleichen sind immer wieder zu hören. Neben Descartes gibt es etwa Bezüge zu Platon, Husserl, Derrida, Lacan oder Berkely.
Die Charaktere von «Ergo Proxy» sind wie die Handlung selbst in ihrer Mehrheit von einer großen Tiefe und Mystik geprägt. Die drei Protagonisten Real, Vincent und Pino stechen da heraus, wobei mir hiervon die Inspektorin Real Mayer durch ihre Aura und völlige Einzigartigkeit fernab jeglicher Stereotype am besten gefiel. Vincent Law ist ebenfalls eine gut gelungene Figur, wenngleich vielleicht nicht ganz so faszinierend und bisweilen etwas blass. Pino ist eine süße, aber ebenfalls relativ vielschichtige und interessante Figur. Die Nebencharaktere fand ich in Summe ebenfalls gut gelungen.
Bild (8/10)
Die Bebilderung stammt vom mittlerweile leider geschlossenen Studio Manglobe. Der Zeichenstil ist schlicht und ergreifend einzigartig. Die allermeisten Szenen sind ziemlich dunkel, die Farben sind kühl, das Licht steril. Es dominieren matte Schwarz-, Grau-, Braun- und Blautöne. Stilistisch fühlt man sich bisweilen an den Film Noir der 40er- 50er-Jahre oder auch an Fritz Langs Metropolis erinnert. Die Hintergründe sind im Gegensatz zu den Figuren oft eher abstrakt und öfters auch leicht unscharf gehalten. Dies alles erzeugt eine düstere, bedrückende und melancholische Stimmung.
Die Charakterdesigns haben mir sehr gut gefallen. Sie sind realistisch und schlicht gehalten. Die Androiden sind gut getroffen worden, also weder zu roboterhaft noch zu menschlich. Allerdings wurde bei den Proportionen nicht immer ganz auf Konsistenz geachtet, leider wirken die Figuren daher gelegentlich etwas unförmig, wenngleich dieses Problem relativ selten und nur dezent hervortritt.
Animationstechnisch ist die Serie über weite Strecken unauffällig, was nicht zuletzt auch dem Inhalt geschuldet ist. Bei den nur recht selten vorkommenden Actionszenen wirken die Bewegungen allerdings flüssig.
Die Auflösung der Discs beträgt 1920 x 1080p im 16:9-Format. Obwohl der Anime ja immerhin schon 11 Jahre alt ist, wirkt das Bild scharf und die Zeichenqualität ist immer noch ansehnlich.
Da die bildliche Gestaltung überaus kreativ ist und die Figuren gut gelungen sind, es aber leichte Qualitätsschwankungen gibt, vergebe ich 8 von 10 möglichen Punkten.
© manglobe / GENEON UNIVERSAL ENTERTAINMENT / WOWOW
Musik (9/10)
Das Opening stammt von der Gruppe Monoral und heißt «Kiri». Das englischsprachige Lied konnte mich vollends überzeugen, es ist atmosphärisch stimmig, eingängig, aber dezent und auch ein wohltuender Kontrast zu den üblichen Anime-Openings. Zum Ending «Paranoid Android», von der recht bekannten britischen Alternative-Rock-Band Radiohead stammend, kann ich im Grunde das gleiche sagen, denn stilistisch bewegt es sich in vergleichbaren Bahnen, ist wohl noch etwas experimenteller, aber meines Erachtens nicht weniger gelungen.
Am Soundtrack von Komponist Yoshihiro Ike gibt es ebenfalls nichts auszusetzen. Er ist unaufdringlich, rückt sich nicht in den Mittelpunkt, was bei dem Anime auch unpassend gewesen wäre. Gleichwohl ist er bedeutend an der Kreierung der einzigartigen, kühl-melancholischen Atmosphäre der Serie beteiligt und stets stimmig. Es dominieren natürlicherweise Moll- und Bassklänge, aber gerade in dramatischen Szenen sind auch Violinen und gelegentlich auch Chorpassagen zu vernehmen. Exemplarisch seien die Stücke «New pulse», «Deal in blood» und «No.0724FGARK» verlinkt.
Die deutsche Tonspur liegt in 5.1-Surround vor, sodass einem klanglich eindringlichen Seriengenuss nichts mehr im Wege steht. Bei der japanischen Fassung muss man sich hingegen mit Stereoton begnügen.
>> Opening «Kiri»
>> Ending «Paranoid Android»
Deutsche Lokalisierung (8/10)
Die deutsche Synchronisation entstand bereits 2008 bei der Gülo Film- und Tontechnik GmbH aus München. Die angesichts der Dialoglastigkeit des Animes anspruchsvolle Aufgabe haben sich Sprecher alles in allem sehr gut bewältigt. Gerade Kathrin Gaube liefert als Re-l Mayer eine bravouröse Vorstellung ab. Philipp Brammer als Vincent Law kann da meiner Meinung nach nicht ganz heranreichen. Hans-Georg Panczak mimt Raul Creed mehr als gelungen, auch Walter von Hauff als Iggy konnte mich überzeugen. Shandra Schadt spricht die Rolle des Daedalus Yumeno meines Erachtens zwar solide, jedoch eher durchschnittlich.
Originalton-Puristen kommen aber natürlich dank der alternativ wählbaren japanischen Tonspur ebenfalls auf ihre Kosten. Die Untertitel kommen in weißer Schrift mit schwarzer Umrandung daher und halten sich recht eng an das deutsche Dialogbuch. Hier gibt es textlich nichts groß zu beanstanden.
Charakter | Deutsche Stimme | Charakter | Deutsche Stimme |
Re-l Mayer | Kathrin Gaube | Daedalus Yumeno | Shandra Schadt |
Vincent Law | Philipp Brammer | Iggy | Walter von Hauff |
Raul Creed | Hans-Georg Panczak | Hoody | Hartmut Neugebauer |
Verpackung und Extras (10/10)
In dieser Kategorie hat Nipponart keine Kosten und Mühen gescheut. Öffnet man die sich wertig anfühlende Box, findet man zunächst einmal einen 76-seitigen Serienguide mit umfangreichen Informationen zu den Charakteren, der Entstehung der Serie, dem Inhalt und vielem mehr. Darüber hinaus liegt ein weiteres Booklet mit 20 Seiten bei, welches Quellen der Inspirationen und Referenzen angibt, eingeteilt in die Rubriken Philosophie, Kunst und Literatur, Wissenschaft und Science-Fiction sowie Mythologie. Außerdem beinhaltet das zweite Booklet am Ende einige Hintergrundinformationen zum grundsätzlichen Setting des Animes. Darüber hinaus erwartet einen ein 12-teiliges Postkartenset und natürlich die Discs selbst in einem Digipack.
Auf den Discs selbst sind neben den 23 Episoden selbst zwei Behind-the-Scenes-Videos und Interviews mit dem Regisseur, dem Produzenten und dem Präsidenten der Produktion enthalten.
Nett wäre vielleicht noch ein Clean Opening und Clean Ending gewesen, aber das ist freilich Jammern auf hohem Niveau.
Die vierte Disc ist überflüssig, denn die darauf enthaltenen letzten vier Episoden finden sich bereits auf der dritten Blu-ray wieder. Dies betrifft anscheinend alle produzierten Exemplare. Wie der Publisher mittlerweile selbst auf Facebook bekannt gab, ist die Ursache bei internen Kommunikationsmissverständnissen zu suchen. Dies ist für Nipponart schon allein wegen der zusätzlichen Kosten für die Anschaffung und Bespielung der vierten Dics ärgerlich, für den Kunden allerdings meines Erachtens kein wirkliches Manko.
Zusammengefasst kann ich in der Kategorie Verpackung und Extras bedenkenlos die volle Punktzahl vergeben. Eine solch umfangreiche Ausstattung findet man auch im Anime-Bereich nur relativ selten, zumal zu dem wirklich günstigen Preis.
Fazit
«Ergo Proxy» ist einzigartig, komplex, tiefgründig, philosophisch und düster. Der Anime ist definitiv nichts für jeden. Er ist sehr fordernd und weist eine bedrückende Stimmung auf. Als lockere Entspannung und Unterhaltung für Zwischendurch ist die Serie also zweifellos nicht geeignet. Wer mit gehaltvollen, fordernden und experimentellen Serien allerdings etwas anfangen kann, wer beispielsweise Animes wie «Texhnolyze» oder «Serial Experiments Lain» schätzt, der sollte «Ergo Proxy» auf jeden Fall ansehen!
Bewertung
Inhalt (x3) | 9/10 | |
Bild | 8/10 | |
Musik | 9/10 | |
Deutsche Lokalisierung | 8/10 | |
Verpackung & Extras | 10/10 | |
Gesamt |
8,9/10 |
Wir bedanken uns bei Nipponart für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!