Skip to content

EU-Studie zu Online-Piraterie kommt zu interessanten Ergebnissen

Eine von der EU-Komission in Auftrag gegebene Studie kommt zu dem Schluss, dass illegale Streams und Downloads kaum Effekt auf den legalen Markt haben und erntet damit Kritik.

Der Bericht wurde 2015 angefertigt, bislang aber unter der Decke gehalten. An die Öffentlichkeit gelangte er nun aufgrund von Nachforschungen seitens der Europaabgeordneten Julia Reda (Piraten/Grüne). Der über 300 Seiten lange englischsprachige Text wurde auf Netzpolitik.org veröffentlicht, ihr könnt ihn hier selbst nachlesen.

Die von der niederländischen Beratungsfirma Ecorys durchgeführte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass «keine tragfähigen statistischen Beweise für die Verdrängung von Verkäufen durch Urheberrechtsverletzung» feststellbar seien – mit einer Ausnahme: Blockbuster-Filme.

Ausgangsfrage war, wie die so genannte Verdrängungs-Rate zu bemessen sei. Hierfür wurden die Medien Musik, Film, Bücher und Games nach sechs Kriterien beurteilt und eine Online-Umfrage vorgenommen, an der circa 30.000 Nutzer aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, Spanien und Schweden teilnahmen.
In der Kategorie Filme und Serien ermittelte man eine negative Verdrängungsrate von 27%, was heißt, dass durch 100 illegale Streams oder Downloads 27 legale Transaktionen unterblieben. Die Studienurheber merkten außerdem an, dass die 27% in erster Linie auf Blockbuster-Titel zurückzuführen seien.
Im Bereich Bücher stellte man zwar eine negative Rate von 38% fest, die aber wegen der geringen absoluten Zahl an illegalen Downloads als «vernachlässigbar» und statistisch nicht signifikant bezeichnet wurde.
Bei der Musik kommt man auf eine Verdrängungsrate von 0%, bei Games auf eine positive Verdrängungsrate von 24%, das heißt, die illegalen Downloads würden die legalen Verkäufe sogar steigern. Dieser paradoxe Effekte wird von den Autoren auf die Strategie der Spieleindustrie zurückgeführt, den Kauf eines Titels mit Bonuspunkten und -levels zu belohnen.

Die EU-Kommission veröffentlichte auf Grundlage des Berichts bislang lediglich ein Paper, dass jedoch nur auf die Umsatzverluste durch illegale Streams und Downloads von Blockbuster-Filme einging und die Studie ausschließlich in einer Fußnote kurz erwähnte. Dies kritisierte die Europaabgeordnete Julia Reda als «unredlich».
In der Tat deutet einiges darauf hin, dass der Text unter Verschluss blieb, weil er nicht die erhofften Resultate präsentierte. Schließlich plant die EU-Kommission seit längerem eine Verschärfung des Urheberrechts und ist hierfür auf solide Beweise für die Sinnhaftigkeit ihrer Pläne angewiesen. Der Urheberrechtsexperte Leonhard Dobusch kommt zu dem Schluss, dass der Bericht ungeeignet sei, strengere solche Gesetze zu legitimieren.

Selbstredend wurde die Studie von den verschiedenen Seiten höchst unterschiedlich aufgefasst. Während sich Bürgerrechtsorganisationen in ihrer Kritik an der gegenwärtigen Form des Urheberrechts und vor allem den Plänen zu dessen Verschärfung bestätigt sehen, halten Vertreter der EU-Komission und Musikindustrie die Ergebnisse mit ausdrücklicher Ausnahme der Daten zu den Blockbuster-Filmen für «statistisch nicht beweiskräftig» und methodisch unzulänglich ermittelt. Dies wiederum wird von der Gegenseite als Rosinepickerei verurteilt.

 

Quelle: Heise.de, Netzpolitik.org